Grabungen am Dünsberg – 2014

Archäologie im Gleiberger Land bilanziert Grabungen 2014

Biebertal (m): Ohne den Einsatz des Vereins “Archäologie im Gleiberger Land” wäre vieles, was inzwischen Aufschluss und Einblicke in die frühgeschichtliche Siedlungsentwicklung am Dünsberg gibt, verborgen geblieben. Der zog Bilanz der Grabungssaison 2014.

Seit 2005 gibt es den Verein, und seit sieben Jahren das kleine Museum “Keltenkeller”.
Dort wiederum sind inzwischen weit mehr als 200 restaurierte Fundstücke aus den Grabungen der zurückliegenden Jahre untergebracht. Langsam wird es eng, sagt Arnold Czarski, Geschäftsführer und zweiter Vorsitzender des Vereins. Händeringend suche man Räume, die zumindest als Lager genutzt werden können. Der Verein arbeitet ehrenamtlich, was bedeutet, dass alle Kosten, auch im Zusammenhang mit den teuren Restaurierungsarbeiten, ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert werden müssen. Öffentliche Zuschüsse gibt es keine. Für die Unterstützung der Gemeinde, in Form der kostenfreien Nutzung der Räume des Museums, ist man dankbar.
Die Grabungssaison 2014 ist inzwischen zu Ende. Vier Wochen lang waren sie wieder unterwegs, mit grobem und feinem Werkzeug, um Wertvolles aus dem Boden zu bergen. Seit 2008 gilt alljährlich (mit Ausnahme von 2010) die Konzentration dem Waldstück “Lammert”, nahe Krumbach.
Die Existenz des spätkeltischen Grabfeldes ist schon lange bekannt. Die Ergebnisse der Ausgrabungen zeigen, dass die Bestattungen nicht nur innerhalb der sogenannten Grabgärten stattfanden, sondern immer wieder auch Fundstücke außerhalb der hügelförmigen Erhebungen auftauchten.
Mit Scherben von vier Urnen (eine sogar noch mit Deckel erhalten) wurde in der jüngsten Grabungssaison das Fenster in die Vergangenheit wieder ein Stück weit mehr aufgestoßen, fügten sich weitere Puzzleteile zum Bild der Lebensumstände der Menschen, die lange vor der Zeitenwende den Biebertaler Hausberg besiedelten und an seinen Hängen lebten. Genau dies ist es, was das Grabungsteam auch in diesem Jahr wieder anspornte und faszinierte.
Pro Tag waren es im Durchschnitt bis zu 20 Grabungsteilnehmer, die nicht nur mit Begeisterung, sondern auch, angeleitet durch die Archäologin Regine Müller und unter Leitung von Arnold Czarski, mit wissenschaftlicher Methodik ans Werk gingen.
Längst “infiziert” ist auch Werner Rüspeler aus Fellingshausen, der mit Abstand älteste Teilnehmer und schon viele Jahre im Team der Ehrenamtlichen dabei, in dem sich alle Alters- und Berufsklassen finden, außerdem Studenten aus Gießen und Bochum und mit Pauline Meunier auch eine Französin aus Paris, die hier beim Archäologieverein ihr Studiumspraktikum absolvierte.

Wer auf einen Fund stößt, darf ihn auch bergen – eine Art Ehrencodex. Neben den Urnen wurden auch Grabbeigaben in Form mehrerer Fibeln aus Bronze und Eisen geborgen. Im Museum, das jeden ersten und dritten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr oder auch nach Vereinbarung außerhalb dieser Zeiten geöffnet hat, können die inzwischen restaurierten Funde des vergangenen Jahres besichtigt werden. Freie, anerkannte Restauratoren führen diese Arbeiten durch. Der Verein will, wenn die Finanzierung steht, auch die neuen Funde restaurieren lassen. Rund 3000 Euro kostet allein die Restauration der keramischen Fundstücke.
Das Team untersuchte auf dem Dünsberg im Bereich der Siedlung auch zwei neue Rückewege mit einer Gesamtlänge von 300 Metern. Hierbei konnten etwa 100 antike Gegenstände, von denen 90 Prozent aus Eisen und der Rest aus Bronze sind, geborgen werden. Die Fahrspurtiefe durch die Holzerntemaschinen betrage bis zu einen halben Meter. Dadurch seien nicht nur Funde, sondern auch Befunde stark gefährdet, so Czarski, weshalb man hierfür für 2015 eine Grabungsgenehmigung beantragen werde.

Quelle: Gießener Allgemeine, 03.09.14 – Artikel: Voker Mattern

Die Spanische Grippe in Rodheim-Bieber 1918-1920

Bild: H. Failing – Grabstätte Herrmann Christ 
Friedhof Rodheim

Nach dem Ausbruch der Coronavirus Pandemie 2020
lohnt sich ein Rückblick auf frühere Pandemien in unserer Heimat.

In 2014 organisierte der Heimatverein Rodheim-Bieber
anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges
eine Sonderausstellung im Heimatmuseum.
Im Rahmen dieser Ausstellung erfolgte eine Recherche zur “Spanischen Grippe” in Rodheim-Bieber.

Die Spanische Grippe war eine Pandemie, die zwischen 1918 und 1920 weltweit etwa 25 Millionen Todesopfer forderte.  Damit starben an der Spanischen Grippe weltweit wesentlich mehr Menschen, als auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges (etwa 20 Millionen).
Diese durch den Influenza-Virus ausgelöste Infektionskrankheit wurde, weil sie angeblich aus Spanien kam, „Spanische Grippe“ genannt. In Deutschland nannte man sie „Blitzkatarrh“ oder auch „Flandern Fieber“.

Damit sind die Auswirkung dieser Pandemie (weltweit) mit dem Ausbruch der Pest (zwischen 1346 und 1353) vergleichbar. Denn im Spätmittelalter fielen der Pest-Epedemie in Europa (lokal begrenzt) ebenfalls etwa 25 Millionen Menschen zum Opfer, etwa ein drittel der damaligen europäischen Bevölkerung.
Allerdings, nach heutigem Wissensstand, trat die Infektion mit dem Bakterium Yersinia pestis zuerst in Zentralasien auf und gelangte über die Handelsrouten (unter anderem über die Seidenstraße) nach Europa. Die Pest damals war also ebenfalls eine Pandemie.
Wahrscheinlich verbreitete sich die Krankheit über Rattenflöhe. Das konnte zu dieser Zeit allerdings noch niemand wissen. Bakterien, auch Bazillen genannt, wurden erstmals von Antoni van Leeuwenhoek mit Hilfe eines selbstgebauten Mikroskops in Gewässern und im menschlichen Speichel beobachtet und 1676 von ihm in Berichten an die Royal Society of London beschrieben.

Rodheimer Opferzahlen durch die Pest im Spätmittelalter sind nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass der Vetzberger Ganerbe Georg Dietrich von Holzapfel an der Pest gestorben ist. Er flüchtete vor der Pest aus Vetzberg nach Marburg zu seinem Schwager, dort verstarb er und wurde in der Marburger Elisabethenkirche bestattet.
Aus Gießen ist bekannt, dass 1635 von zirka 3.000 Einwohnern innerhalb kurzer Zeit an der Pest starben.

Die erste Welle der Spanischen Grippe traf unsere Dörfer im Sommer 1918, die zweite im Herbst und die dritte Anfang 1919.
Der Krankheitsverlauf war oft so: Die Opfer bekamen plötzlich Schüttelfrost und Fieber, sie röchelten und spukten einen blutigen Schaum. Am nächsten Tag nahm das Röcheln zu, der Kranke wurde plötzlich unruhig, seine Haut verfärbte sich  blau und oft folgte dann in den nächsten Tagen der Tod.

Auch damals entwickelte man schnell eine Reihe von Verhaltensregeln: sich bei ersten Symptomen sofort ins Bett legen und nicht zu früh wieder aufstehen, um die gefürchtete Lungenentzündung zu vermeiden. Auch wurde das Tragen von Gesichtsmasken empfohlen.  

In der Bieberer Schulchronik schreibt Hauptlehrer Friedrich Löll folgendes zu der Spanischen Grippe, die man damals noch nicht so nannte:
Herrmann Christ, geb. am 14. März 1900, Sohn der Witwe des am 21. März 1917 verstorbenen Müllers Christ auf de Steinmühle, eingezogen zur Marine, bestimmt für den Dienst auf einem Unterseeboot, gestorben am 22. Okt. 1918 in Wilhelmshafen an Grippe (die in jenen Wochen in unserem Vaterlande fürchterliche Ernte hielt), begraben auf dem Kirchhof zu Rodheim am 27. Okt. 1918. Wenige Tage nach dem Tode dieses blühenden, kräftigen Jünglings brach Deutschland zusammen und sank in Schmach und Elend.”

Nach Recherchen im Rodheimer Begräbnisbuch von 1903 bis 1955 starben in dem Zeitraum von Okt. 1918 bis Feb. 1919 an der Grippe 16 Personen.  Der damalige Totengräber schrieb in dieses Buch nicht nur die Nummer des Grabplatzes und das Begräbnisdatum, sondern auch das Alter und soweit es ihm bekannt war auch die Todesursache. Vermutlich ist die Zahl derer, die an der Grippe starben, noch höher. Da der Tod damals sehr oft durch eine Lungenentzündung eintrat … und in dieser Zeit noch mehrere Sterbefälle mit der Todesursache Lungenentzündung eingetragen stehen.  Was noch auffiel: öfters wurde auch schon bei 70jährigen als Todesursache Altersschwäche eingetragen. Vielleicht wusste es der Totengräber nicht besser.
Vielleicht waren die über 70jährigen damals aber wirklich auch schon alt. Denn nach Angaben des statistischen Bundesamtes lag im Jahr 1900 die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland für Männer bei 46,4 und für Frauen bei 52,5 Jahren.

Die Opfer lt. Begräbnisbuch

Oktober 1918

  • Elisabeth Schmidt 
  • Georg Stork                    
  • Luise Bernhard              
  • Jakob Peppler                     
  • Herrmann Christ, Sohn der Witwe des am 21. 3. 2017 verstorbenen
    Müllers auf der Steinmühle Christ

November 1918  

  • Georg Weil                     
  • Ludwig Löber                  
  • Katharine Becker            
  • Luise Pfeiffer                   
  • Anna Mar. Leicht             
  • Elisabeth Dönges           
  • Christine Schmidt           
  • Karl Hofmann II     

Dezember1918            

  • Karoline Dudenhöfer        

Februar 1919 

  • Wilhelm Stork                               
  • Katharine Schlaudraff    

In Summe:  16 Personen; 7 Männer und 9  Frauen

Alter

  • 38  
  • 43 
  • 36  
  • 36  
  • 18

Alter

  • 31
  • 48
  • 68
  • 26
  • 52
  • 32
  • 18
  • 47

Alter

  • 16

Alter

  • 33
  • 58

Durchschnittsalter: 37,5 Jahre

Bis August 1922 wurden die Toten aus dem Ort Bieber noch alle in Rodheim begraben. Erst nach der Einweihung des Bieberer Friedhofs im Sept. 1922 konnten die Bieberer Bürger auf dem Bieberer Friedhof bestattet werden. Zu dieser Zeit betrug Einwohnerzahl in Rodheim etwa 1.800 und in Bieber 650 Einwohner.

Der Spanischen Grippe durch den Influenza-Virus erlagen vor allem 20 bis 40jährige Menschen. Man vermutet, dass die damals älteren Menschen durch andere Grippeerkrankungen in ihrer Jugend entsprechende Antikörper gebildet hätten. Auch die Kinder seien noch durch die Antikörper ihrer Mütter geschützt gewesen.
Demgegenüber werden bei der heutigen Infektion mit dem Coroma-Virus die über 60jährigen als Risikogruppe und besonders gefährdet betrachtet – obwohl zunächst keine Altersgruppe Antikörper gegen diesen neuartigen Virus entwickeln konnte. Offenbar spielen heuer die gesundheitlichen Vorschädigungen bei der Bewältigung bzw. beim “der Erkrankung erliegen” eine besonders wichtige Rolle.

Quelle: Helmut Failing, Heimatverein Rodheim-Bieber